2024-09-15 Käfer-Totem und Baumfarn-Exoten in der Universitätsstadt Leuven

An- und Abmeldungen überschneiden sich bis zum Schluss – schließlich finden sich 21 Interessierte in Eupen am Bahnhof bei noch kühlem, frühherbstlichem Wetter zur Städtefahrt nach Leuven 2024 ein. Der Zug ist sauber und pünktlich – schon stehen wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Märtyrerplatz.

Der Name kommt leider nicht von ungefähr – erinnert er an die traumatischen Ereignisse, beginnend am 25.08.1914, als sich in der von deutschen Soldaten überfüllten Stadt ein einzelner Schuss löst – Auslöser für letzten Endes über 5500 Tote, die Brandschatzung (mit Ausnahme des Rathauses) aller Häuser Leuvens und die Deportation von 1500 Geiseln. Man muss es sich immer wieder vergegenwärtigen – alle Häuser dieser schönen und interessanten Stadt wurden nach originalen Plänen & Fotos wieder aufgebaut, sind aber kaum 100 Jahre alt.
Doch die Stadt lebt – das Ballonfahrerdenkmal erinnert an den lokalen Brauch der 40-jährigen Männer, in ihren nächsten 10 Lebensjahren gemeinsame Freizeitaktivitäten zu organisieren.
Es geht zunächst die schnurgerade ausgerichtete Bondgenotenlaan Richtung Rathaus, das schon am Ende aufblitzt, entlang - aber so schnell wollen wir nicht ans Ziel kommen. Wir biegen deshalb gleich an der ersten Kreuzung - am Denkmal des Gelehrten und Uniprofessors Justus Lipsius - nach links ab: rechts ist die Silhouette des Sozialwohnungshochhauses zu sehen, vor uns der Turm der dritten Universitätsbibliothek. Dort angekommen haben die Wanderer mit Fernglas ihre Vorteile – so viele Details, jedes mit entsprechend viel Symbolik aufgeladen (so steht z.B. die häufig verwendete Zahl 48 für die Zahl der US-Bundesstaaten in den 20-ziger Jahren als Stifter & Erbauer des Gebäudes), wollen erkannt werden. Die mit Militärhelm und Schwert ausgerüstete, wehrhafte Madonna, die den preußischen Adler durchbohrt, flankiert durch die Heiligen Georg (UK) und Michael (Frankreich) ist ebenso ungewöhnlich wie die 10 Wappentiere der Alliierten des ersten Weltkriegs auf den Treppengiebeln – vom jap. Löwen bis zum schottischen Einhorn.
Leider ist das Käfertotem, zum 575. Jubiläum der Universität errichtet, durch den aufgebauten Rummel verdeckt.
Weiter geht es zum hinter einer Mauer verstecktem Pädagogikum De Valk, einem von 4 der Philosophischen Fakultät der Universität Leuven, wo Erläuterungen zum Aufbau des mittelalterlichen Studiums erfolgen.
Kurz darauf erreichen wir das Areal des großen Marktes. Versteckt findet sich Fonske. Die kleine Bronzefigur war ein Geschenk an die Stadt zum 550-jährigem Bestehen der Universität. Zunächst von den Studenten abgelehnt, weil es einen trinkenden Studenten darstellen könnte, hat man sich heute auf die Erklärung geeinigt: dem ein Buch lesendem Studenten fließt die Weisheit in den Kopf. Er wird, ähnlich wie das Brüsseler Manneken Pis, bei Feierlichkeiten verkleidet.
Gleich dahinter ein erster Blick auf St. Pieter mit seinem Kranz von Kapellen. Auf der Gegenseite die Stümpfe der 3 geplanten Türme, die ähnlich St. Jakob in Antwerpen zwar übergroß geplant, aber auf Sand gebaut nicht besonders stabil waren und damit auch nicht besonders hoch werden konnten. Im Inneren besticht die Hauptkirche der Stadt durch ihre enorme Höhe und Helligkeit, dem ältesten Lettner Belgiens, dem filigranen Sakramentsturm sowie der Thronmadonna. Letztere wird seit 1909 auch auf dem Emblem beider Leuvener Universitäten geführt.
Herauskommend sehen wir Tafelrond und Leuvener Rathaus vor uns. Nach dem Vorbild des Brüsseler Rathauses gebaut, sollte es dieses an Figurenreichtum noch übertreffen. Errichtet innerhalb von 30 Jahren im 15. Jh., hat es dann aber mehrere Jahrhunderte gedauert, bis zwischen 1895 und 1913 noch die 236 Figuren in die schon längst ausgeführten Nischen eingesetzt wurden. Heute fehlt nur eine (dauerhaft) – von Leopold II. distanziert man sich inzwischen auch offiziell.
Inmitten der pulsierenden Studenten-Stadt mit ihren zahlreichen Einkehrmöglichkeiten wird die Mittagspause gemacht, bevor es zum zweiten Teil der Führung geht.
Auf der Brücke über die Djle, die wir heute noch mehrfach überqueren werden, befindet sich die Statue des Leuvener Originals Paep Thoon.
An Haus Morion vorbei geht es zur inzwischen entweihten Dominikanerkirche, weiter zum Augustinerinnenkloster und zur Römischen Pforte, einem der ältesten erhaltenen Bauwerke der Stadt.
Das ehemalige medizinische Zentrum, 1030 entstanden und 1220 an diese Stelle mitten in der Stadt verlagert wird gerade geschleift, viele Baugruben und die ersten nagelneuen Häuser sind zu sehen, da es den modernen Anforderungen nicht mehr genügte. Heute befindet sich die gesamte med. Fakultät auf dem außerhalb gelegenen Gasthuisberg.
Auf der rechten Seite sehen wir (authentisch teilrekonstruiert) Teile der aus dem 12. Jahrhundert stammenden ersten Stadtmauer mit ihren typisch weiß-braunen Quader-Lagen.
Nächste Station ist die leider schon seit 1963 baupolizeilich gesperrte St. Jakobskirche mit ihrem typischem, in Belgien seltenem Glockenerker. Davor ein Denkmal für den bekannten Pater Damian, der, aus einfachen Verhältnissen stammend, auf Hawaii freiwillig Seelsorger in einer Leprakolonie wurde. Nach seinem Tod zurück nach Belgien überführt, wurde er in der Krypta der Klosterkirche seiner Ordensgemeinschaft beigesetzt. 1995 selig- und 2009 heiliggesprochen wurde er vor wenigen Jahren in einer Fernsehsendung auch zum bedeutendsten Belgier gewählt.
Der bot. Garten mit seinen exotischen Pflanzen (Baumfarn & Co) und schönen Gewächshäusern wird bestaunt, danach geht es am Alten (1744) und Neuen anatomischen Theater weiter.
Ein nächster Blick zur Stadtmauer, bevor es neben den 2 Wassertoren des ehemaligen Stadteinganges wieder einmal über die Dijle geht. Dahinter folgen das Holländische Kollegium (aus einem ehemaligem Adelssitz des 16. Jh. hervorgegangen) sowie das Irische Kollegium, in dem während der sogenannten Strafzeit (Eroberung Irlands durch die protestantischen Tudors) die irische Sprache gepflegt wurde und das deshalb sogar über eine eigene Druckerei verfügte, während die gesamte gelehrte Welt noch Latein sprach.
Die St. Antoniumskapelle enthält heute das Grab von Pater Damian. Die eingelegte Rast konnte zum Studium der zahlreichen Infotafeln ebenso wie zum Ausruhen in der kühlen Atmosphäre genutzt werden.
Entlang der Dijle geht es danach durch ein Viertel, in dem sich an den 2 Flussarmen der Dijle früher viele Mühlen befanden, Reste davon sind heute noch zu finden.
Wir durchqueren einen malerischen Park, der an ein Monet-Gemälde erinnert – und schon befinden wir uns am Rande des Großen Begijnenhofs, heute überwiegend noch mit Häusern aus dem 16./17. Jh. - eine Oase der Ruhe inmitten der Stadt. Glücklicherweise von der Universität erworben, um dem Verfall vorzubeugen - und heute für ihre Gäste genutzt. Am Haupteingang verlassen wir dieses überaus gepflegte Gelände, blicken noch einmal auf die Kirche St. Johannes den Täufer zurück und laufen leicht bergauf zu St. Quintin, eine der ältesten Kirchen der Stadt.
Von dort gelangen wir über die Namsestraat mit ihren zahlreichen Kollegien zur heutigen Pfarrkirche St. Michael – einer unschwer zu erkennenden, früheren Jesuitenklosterkirche.
Eine schmale Seitenstraße führt uns zum glücklicherweise unverschlossenen Papst-Kollegium, so dass jetzt auch mal ein Blick in einen Innenhof möglich ist. 1523 von Papst Adrian VI. gestiftet, dem bis heute einzigen Niederländer auf dem Heiligen Stuhl. Er hat einen Großteil seines Lebens in Leuven verbracht – zuerst als Student, später als Professor für Theologie, Kanzler und Rektor der Universität. Er war als Ratgeber und Gutachter weithin geschätzt und galt geradezu als das Orakel der Niederlande. Von Maximilian I. wurde zum Lehrer seines Enkels Karl V. in klassischen Sprachen bestellt. Am Ende seines Lebens wird er zum Kardinal erhoben, 5 Jahre später (in seinem letzten Lebensjahr) als Kompromisskandidat zum Papst gewählt.
Wir passieren die momentan völlig eingehüllte Lakenhalle und gelangen zum Alten Markt, dessen Bezeichnung auf das 1150 erteilte Marktrecht zurückgeht – heute die Theke der Stadt und zu einer willkommenen Erfrischungspause einladend.
Über den Markt geht es entlang von Villers- und Luxemburger Kollegium, danach am prächtigen Gerichtsgebäude im großen Bogen zurück zum Bahnhof.

Diana Hofmann

 

  • 2024091510_03_09-DSC06125
  • 2024091510_37_50-DSC06125
  • 2024091511_04_59-DSC06134
  • 2024091511_06_49-DSC06136
  • 2024091511_13_23-DSC06137
  • 2024091511_21_12-DSC06140
  • 2024091511_24_18-DSC06143.1
  • 2024091511_41_03-DSC06146
  • 2024091511_41_51-DSC06147
  • 2024091511_42_27-DSC06148
  • 2024091511_43_21-DSC06149
  • 2024091512_05_33-DSC06150
  • 2024091512_09_50-DSC06153
  • 2024091512_21_42-DSC06154
  • 2024091512_21_59-DSC06155
  • 2024091514_08_01-DSC06157
  • 2024091514_15_21-DSC06160
  • 2024091514_18_38-DSC06166
  • 2024091514_24_08-DSC06168
  • 2024091514_42_04-DSC06169
  • 2024091515_00_55-DSC06171
  • 2024091515_15_42-DSC06172
  • 2024091515_17_55-DSC06174
  • 2024091515_22_27-DSC06178
  • 2024091515_24_26-DSC06180
  • 2024091515_30_35-DSC06181
  • 2024091515_31_48-DSC06182
  • 2024091515_58_18-DSC06186
  • 2024091516_01_15-DSC06192
  • 2024091516_02_22-DSC06197
  • 2024091516_45_23-DSC06200
  • 2024091517_29_15-DSC06203
  • 2024091518_02_24-DSC06204
  • 2024091518_21_38-DSC06206

Fotos: B. Klinkenberg

Zusammenst./Aufber.: I. Steven