2018-10-20 Tagung der Kulturwarte

Die Herbsttagung der Kulturwarte 2018 fand am Samstag, den 20. Oktober zum Thema „Nationalsozialismus in der Eifel“ in Vogelsang IP statt.
Die seit 2006 wieder für die Öffentlichkeit zugängliche, ehemalige Ordensburg Vogelsang im Nationalpark Eifel ist mit rund 100 ha eines der größten Bauwerke aus der NS-Zeit. Bis heute ist die Herrschaftsarchitektur ablesbar, die der Selbstdarstellung des Nationalsozialismus diente und zugleich dessen Machtanspruch über Mensch und Natur dokumentiert.


Als bewusster Kontrast zu den (sanierten) historischen Bauten wurde der moderne, markante Stahl- und Glasbau des neu geschaffenen Besucherzentrums - in dem das Treffen stattfand -mitten in den "Adlerhof" gesetzt.

Anlass für den Besuch war neben der vereinbarten, mehrstündigen Kuratorenführung durch die hochkarätige, u.a. mit dem Label „German Design Award Nominee 2018“ versehene Dauerausstellung unter dem Titel „Bestimmung Herrenmensch: NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“ vor allem die Tatsache, dass durch das natürliche Versterben von Zeitzeugen mangelnder Objektivität einerseits und die Auswertung umfangreicher Aktenbestände gerade in jüngerer Zeit durch unbelastete Autoren andererseits heute ein viel detaillierteres und differenzierteres Bild dieser dunklen Vergangenheit vorliegt, mit dem sich intensiver zu beschäftigen lohnt.

Durch Einladung zahlreicher Referenten, die vor bzw. nach der Führung ihre Referate zu Spezialthemen hielten und die anschließend auf die zahlreichen aufkommenden Fragen bereitwillig antworteten, hatte der Vorsitzende ein sehr anspruchsvolles Tagesprogramm zusammengestellt:

• Andreas Borsch (Trier): Die Rolle des Dauner Landrats Dr. Paul Wirtz im Prozess der wirtschaftlichen    Existenzvernichtung der jüdischen Bevölkerung in der Vulkaneifel
• Lena Haase (Trier): Eifeler Industrielle im Visier der Geheimen Staatspolizei. Ermittlungen gegen die „Bitburger Brauerei“ und den „Birresborner Mineralbrunnen“
• Rainer Hülsheger (Roetgen-Rott): Die Adolf-Hitler-Schulen, 1937-1945. Suggestion eines Elitenbewusstseins
• Stefan Wunsch (Vogelsang): Die NS-Ordensburg Vogelsang als zeitgenössische Tourismusattraktion

Kurzzusammenfassung der Dauerausstellung

Zweckbestimmung der NS-Ordensburgen war es, eine relativ kleine Gruppe von jungen Männern (Mittzwanziger), die von der Parteiführung auserwählt wurden, zu Führungsfunktionären der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei heranzuziehen. Von 1936 bis 1939 fanden die ersten Lehrgänge statt, die allerdings mit Beginn des Zweiten Weltkriegs abgebrochen wurden.
Die „Ordensjunker“, wie sie sich selbst nannten, wurden der „Volksgemeinschaft“ als neue Elite der Partei präsentiert und viele fühlten sich auch so. Sie glaubten, mit ihrer Berufung in die Ordensburgen einen Weg, oft aus der (früheren) Arbeits- & Perspektivlosigkeit heraus in den sozialen Aufstieg und in eine berufliche Karriere beschritten zu haben. Die Männergesellschaft, in die sie aufgenommen worden waren, verhieß ihnen Sicherheit und Geborgenheit in der Kameradschaft Gleichgesinnter.
Die vorwiegend ideologische Prägung erfolgte durch Vortragsreihen und Seminare (ohne strukturierte Lehrpläne), aber auch durch die körperliche Formung mit militärischem Drill und vielerlei Sport. Vor allem durch das Fach Rassenlehre wurde das Bild von der Überlegenheit des „arischen“ Herrenmenschen ständig verstärkt. Eine nationalsozialistische Ersatzreligion mit Riten und pathetischen Feiern ließ die Ordensjunker glauben, Anteil zu haben an der Schaffung eines Neuen Menschen der Zukunft.
Mit diesem ideologischen Hintergrund zogen die Männer von den Ordensburgen mit Kriegsbeginn zunächst als einfache Soldaten in den Krieg (der speziell im Osten ein Rassen- und Vernichtungskrieg wurde), um sich zunächst zu bewähren. In Polen, den baltischen Staaten, Weißrussland und der Ukraine wurden mehrere Hundert von ihnen später in der Besatzungsverwaltung eingesetzt - viele von ihnen waren dort auch an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt.
Es dauerte sehr lange, bis sich die Nachkriegsgesellschaft und schließlich die Justiz für die einzelnen Täter zu interessieren begann.
Zum Schluss der Ausstellung bleiben Fragen, die bewusst über die NS-Geschichte hinausgreifen: Wie hätten wir selber gedacht und gehandelt, wären wir in eine ähnliche Zeit und Aufgabe gestellt worden? Gibt es heute vergleichbare Situationen auf der Welt? Was bedeuten uns Demokratie und Pluralität in unserer Gesellschaft?

Diana Hofmann

 

Fotos: Diana Hofmann

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